Strahlentherapie
Strahlentherapie: Was versteht man darunter und wie wirkt sie?
Als Strahlentherapie bezeichnet man den therapeutischen Einsatz von ionisierender elektromagnetischer Strahlung zur Behandlung von bösartigen oder gutartigen Erkrankungen. Es handelt sich bei der Therapie um ein Hochpräzisionsverfahren, welches unter Verwendung modernster Techniken eine zielgenaue Behandlung ermöglicht. Im Gegensatz zur Systemtherapie (medikamentöse Therapie) stellt die Strahlentherapie ein lokales Therapieverfahren dar, welches ihren Effekt innerhalb eines umschriebenen Zielbereichs entfaltet. Die Strahlentherapie verursacht hierzu gezielt Schäden in den behandelten Zellen durch physikalische Wechselwirkungen und biochemische Folgeprozesse. In der Konsequenz kommt es zum Teilungsstopp oder zum Untergang der krankhaften Zellen im Zielgewebe. Kranke Zellen (z.B. Tumorzellen) haben im Vergleich zu gesunden Zellen eine herabgesetzte Reparaturfähigkeit, was die Strahlentherapie besonders effektiv macht und die Schonung von gesundem Gewebe erlaubt. Die Wirksamkeit der Therapie kann in vielen Fällen zusätzlich durch die Kombination mit einer medikamentösen Therapie erhöht werden.
Die Strahlung wird heutzutage meist mit Hilfe von speziellen Geräten (Linearbeschleunigern) erzeugt. Seltener kommen auch natürliche strahlende Substanzen zum Einsatz. Die Therapie wird individuell auf die/den PatientIn angepasst und von einem interdisziplinären Team aus Ärzten (Strahlentherapeuten), Medizinphysikern und Medizin-technischen Angestellten (MTRA) durchgeführt.
Die Indikationen für eine Strahlentherapie sind sehr vielfältig. Neben dem Einsatz bei chronisch oder degenerativen gutartigen Erkrankungen des Bindegewebes ist die Strahlentherapie unverzichtbarer Bestandteil bei der Behandlung von Krebserkrankungen. In der Krebstherapie kann die Strahlentherapie als alleinige (heilende) Therapiemodalität eingesetzt werden (z.B. beim Prostatakarzinom) oder als ergänzende Therapie zu einer chirurgischen Therapie (z.B. adjuvante Therapie beim Mammakarzinom).
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Strahlentherapie aufgrund von medizinischen und technischen Innovationen stetig weiterentwickelt. Heutzutage erfolgt die Strahlentherapie als computerbasiertes dreidimensionales Verfahren, welchem eine exakte Darstellung von Tumor und Organsystemen und eine individuelle Bestrahlungsplanung zu Grunde liegt. Moderne Bestrahlungstechniken ermöglichen basierend auf der exakten Definition des Zielgewebes eine effektive Therapie des Zielgewebes unter gleichzeitiger maximaler Schonung des gesunden Gewebes.
Die unterschiedlichen Strahlentherapie-Techniken, welche bei der Behandlung von Krebserkrankungen zum Einsatz kommen werden im Folgenden beschrieben.
3-D-konformale Strahlentherapie
Bei der dreidimensional-(3D) konformalen Strahlentherapie erfolgt eine computergestützte Bestrahlungsplanung basierend auf modernen Schnittbildgebungsverfahren, wie der Computertomographie (CT). Der behandelnde Strahlentherapeut definiert individuell für jede/n PatientIn dreidimensional das Bestrahlungszielvolumen und die umliegenden Gewebe in der Bildgebung. In der Bestrahlungsplanung werden verschiedene Bestrahlungsfelder aus unterschiedlichen Richtungen angewendet, um eine fokussierte Bestrahlung des Tumors bei gleichzeitig optimierter Schonung der umgebenden Organe zu erreichen (Konformalität). Mit dieser Technik können bei vielen Indikationen, wie der adjuvanten Strahlentherapie der Brust, optimale Ergebnisse erzielt werden.
Intensitätsmodulierte Strahlentherapie
Die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT = intensity modulated radiotherapy) stellt eine Weiterentwicklung der 3-D-konformalen Bestrahlung dar. Durch schmale Metallblenden (sog. Multileaf-Kollimatoren) im Beschleunigerkopf kann das gewünschte Bestrahlungsfeld aus vielen kleineren Bestrahlungsfeldern, sogenannten „Segmenten“, zusammengesetzt werden. Jedes Feld-Segment trägt einen Teil zur Bestrahlungsdosis bei, so dass im gesamten Bestrahlungsfeld an manchen Stellen mehr Dosis verabreicht werden kann als an anderen („Modulation“). Indem aus verschiedenen Einstrahlrichtungen dieser Vorgang wiederholt wird, kann die Dosisverteilung an den Tumor angepasst und die umgebenden Risikoorgane optimal geschont werden. Eine Weiterentwicklung der IMRT stellt die Intensitätsmodulierte Bewegungsbestrahlung (IMAT: intensity modulated arc therapy, je nach Hersteller auch Rapid-Arc oder VMAT genannt) dar. Das Bestrahlungsgerät rotiert dabei um die/den PatientIn, strahlt kontinuierlich und passt mithilfe der Multileaf-Kollimatoren die Feldform dem Zielgebiet fortlaufend an und variiert die Dosisleistung („Strahlungsmenge pro Zeit“). Damit kann die Dosis noch optimaler an den zu bestrahlenden Tumor und die umgebenden Risikoorgane angepasst und gleichzeitig die Länge der Bestrahlungssitzung verkürzt werden.
Bildgestützte Strahlentherapie
(IGRT = Image-guided radiotherapy)
Moderne Linearbeschleuniger weisen in der Regel eine integrierte Bildgebungseinheit auf oder sind mit zusätzlichen Bildgebungseinheiten (z. B. ein bewegliches CT) im Bestrahlungsraum kombiniert, um vor jeder Behandlung das Zielgebiet abzubilden. Bei einer Abweichung der PatientInnenposition zwischen der aktuellen bildgebenden Darstellung und der Position am Tag der Bestrahlungsplanung, kann diese durch eine Korrektur des Bestrahlungstisches ausgeglichen werden. Neben der Körperposition kann auch die Bewegung von Organen (z. B. des Darmes) oder deren Füllungszustände (z. B. der Blase) abgebildet werden, um so bei Bedarf ein Gegensteuern zu ermöglichen.
Eine neue Entwicklung der bildgeführten Strahlentherapie stellen MR-Linearbeschleuniger dar, welche einen Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT) direkt im Bestrahlungsgerät integriert haben. Die MRT-Bildgebung ermöglicht im Vergleich zur CT-geführten Strahlentherapie einen verbesserten Weichgewebekontrast und erlaubt die simultane Bildgebung während der Strahlabgabe. Vor- und Nachteile der MR-geführten Strahlentherapie sind derzeit noch Gegenstand der klinischen Erprobung vor allem im Rahmen von Studien.
Atemgetriggerte Bestrahlung
Manche Tumoren, z. B. in der Brust, der Lunge oder dem Bauchraum, zeigen atemabhängige Bewegungen. Verschiedene Techniken wurden entwickelt, um diese Bewegungen bei der Bestrahlung mit einzuplanen. Zum einen kann die Bestrahlung nur in Atemanhalt erfolgen, um eine bessere Schonung der umliegenden Risikoorgane, wie z. B. des Herzens, zu ermöglichen. Die korrekte Ausführung des Atemanhaltes wird millimetergenau beispielsweise durch Hautoberflächenmessung gewährleistet und reproduzierbar gemacht. Außerdem kann auch die Bildgebung während der Bestrahlung, z. B. bei Verwendung eines MR-Linearbeschleunigers, dazu genutzt werden, sodass der Strahl nur dann freigegeben wird, wenn sich der Tumor in der korrekten, vorberechneten Position befindet.
Stereotaktische Strahlentherapie und - Radiochirurgie
Die stereotaktische Bestrahlung ist eine Sonderform der hypofraktionierten hochpräzisions-Strahlentherapie, bei der wenige Bestrahlungsfraktionen (üblicherweise 3–10) mit hohen Einzel-Strahlendosen (bis zu über 20 Gy) verabreicht werden. Eine Sonderform der stereotaktischen Bestrahlung stellt die „Radiochirurgie“ dar, bei der die Behandlung in nur einer Sitzung erfolgt. In der Bestrahlungsplanung werden Navigationssysteme eingesetzt mit denen die Koordinaten des Zielgewebes dreidimensional angesteuert werden können. Damit solch hohe Strahlendosen jedoch sicher verabreicht werden können, ist eine Immobilisierung des Körpers notwendig. Dies erfolgt z. B. in Form von speziell für die/den PatientIn angefertigte Bestrahlungsmasken, Vakuummatratzen oder starre Rahmen, die fest mit dem Körper verschraubt werden. Durch Anwendung von bildgebender Kontrollen, sind invasive Fixationssysteme zunehmend nicht mehr notwendig. Die stereotaktische Technik kann mit Linearbeschleunigern oder mit speziell dafür entwickelten Geräten (z. B. Gammaknife) durchgeführt werden.
Brachytherapie (Bestrahlung von innen)
Ein weitere wichtige Form der Strahlentherapie ist die Brachytherapie (brachys = griechisch kurz). Bei der Brachytherapie wird eine umschlossene Strahlentherapie in natürliche Körperhöhlen (z. B. Speiseröhre, Luftröhre, Enddarm, Scheide, Gebärmutter) oder in direkt im Tumorgewebe eingebrachten Nadeln/Schläuche eingeführt. Die Strahlenquelle gibt direkt vor Ort in berechneter Weise Strahlung ab. Auch hier findet vor der Bestrahlung eine Bestrahlungsplanung anhand von CT-, Ultraschall- oder MR-Bildern statt. Hierbei hat die Strahlung im Vergleich zur Strahlentherapie von außen eine deutlich geringere Reichweite. Dadurch können die umliegenden Organe besser geschont und gleichzeitig die Strahlendosis im Tumor erhöht werden.
Bei bestimmten „frühen“ Prostatakarzinom-Stadien kann außerdem eine weitere Form der Brachytherapie angewendet werden, bei der kleine radioaktive Stifte unter Narkose in die Prostata eingebracht werden und dort ihre Strahlung dauerhaft abgeben. Diese sogenannten „Seeds“ verbleiben lebenslänglich.
Partikeltherapie: Protonen und Schwerionen
Eine weitere, jedoch selten, angewandte Form der Strahlentherapie besteht in der sogenannten „Partikeltherapie“. Anstatt von hoch-energetischer Photonen werden hier positiv geladene Teilchen (Protonen oder Schwerionen) beschleunigt und gezielt auf Tumore gelenkt. Die Gerätschaften zu Erzeugung von Partikelstrahlen sind technisch erheblich aufwändiger und in der Herstellung um ein vielfaches teurer als ein Linearbeschleuniger. Ein Vorteil von Partikelstrahlung liegt darin, dass ihre Dosis überwiegend auf das Zielvolumen des Tumors konzentriert bleibt und räumlich hinter dem Zielgebiet schnell abfällt. Dadurch kann die Strahlendosis im umliegenden gesunden Gewebe insbesondere im Bereich von kritischen Organen reduziert werden. Besondere Bedeutung spielt die Partikeltherapie vor allem bei Tumoren der Schädelbasis und in der Bestrahlung bei Kindern.
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Ärztlicher Leiter: Prof. Dr. med. Claus Belka
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Campus Großhadern
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